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Der Schmetterling auf meiner Hand

Sonnenstrahlen blinzeln verwegen durch die dicke Wolkendecke. Ein scharfer Nordwind straft die vorwitzigen Sonnenstrahlen Lügen, die von dem heran nahenden Frühjahr künden wollen. Ein weiteres Jahr ist vergangen seitdem sie auf die andere Seite des Regenbogens gewechselt ist. Zuerst habe ich gedacht, dass ich es nicht schaffen würde, ohne sie, meinen Sonnenschein. Allen meinen Annahmen zum Trotze stehe ich jetzt hier und blicke hinauf in die seltsam geformten Wolkenberge. Ich sehe wie die vorwitzigen Sonnenstrahlen immer wieder ihren Weg durch das dunkle Grau finden und sich nicht

unterkriegen lassen. Sie wissen ihre Zeit kommt. Ich denke darüber nach, dass es mit dem Leben ganz ähnlich ist. Der Überlebenswillen, der lange Zeit in mir latent versteckt war, wird von den wärmenden Sonnenstrahlen wachgeküsst und ja, ich erlaube mir mein ungeschütztes Gesicht dem Licht zu zu wenden. Das noch ungeborene Kind in meinem Bauch regt sich, scheint aus seiner Traumwelt zu erwachen. Bald wird es aus seiner sicheren Hülle in diese Welt hinein geboren werden. Dieses werdende Leben in mir erfüllt mich mit Freude. Dennoch bleibt die Angst dieses zarte Wesen in mir zu verlieren. Glück ist brüchig. Seitdem mich mein kleiner Sonnenschein verlassen hat, weiß ich, dass es keine Garantie auf ein langes gemeinsames Leben gibt. Vorher habe ich mir nie Gedanken darüber gemacht, dass meine kleine Tochter vor mir sterben könnte. Das passiert doch nur anderen. Nicht mir. Nicht uns. Dennoch ist es uns geschehen. Mein Herz brach in dem Moment als ich begriff, dass sie niemals wieder fröhlich glucksend in meinen Armen liegen wird und mich mit ihren großen blauen Augen anstrahlen wird. Meine kleine Sunny lag bläulich, kalt und fast wie eine Marmorreplik in ihrem Bettchen. Das Mobile bewegte sich in einem unsichtbaren Luftzug und die kleinen Schmetterlinge tanzten nach einer imaginären Musik, während ich auf mein Kind blickte. Das war nun fast unfassbar ein Jahr her. Ein Jahr, in dem ich aufgeben wollte und durch das Labyrinth meiner Trauer keinen Weg zu ihr fand. Mein Mann Mirko und ich fanden nur kurzen Trost. Wir verloren uns beide in unserer Trauer. Es war fast wie ein Schock als ich die typischen Anzeichen feststellt

e: das Spannen der Brüste, morgendliche Übelkeit und alles lähmende Müdigkeit. Die Sehnsucht nach Sunny in meinem Herzen, die unüberwindbar erschien, ließ mich innerlich schaudern. Die Angst dieses kleine Wesen gehen lassen zu müssen… in ein Land hinter dem Regenbogen. Sinnend schaue ich in den Himmel auf und denke, dass der kleine Sonnenstrahl in mir trotz der großen Furcht mein Herz wärmt. Es ist erst März und die Luft ist noch empfindlich kühl. Trotzdem helfen mir die langen Spaziergänge in der freien Natur meine lähmende Furcht zu bekämpfen. Nicht, das ich weglaufen möchte. Ich möchte mich mit den Elementen aussöhnen. Wenn es einen Gott gibt, dann bitte ich darum, dass ich dieses Kind behalten darf und gleichzeitig habe ich Angst diese Aufgabe nicht erfüllen zu können. Das Spiel von  wechselnder Sonne und Wolken nimmt mich gefangen. Abwechselnd werden Licht und Schatten auf die große Wiese gezaubert, je nachdem wer stärker ist. Die Bank, auf der ich unter der mächtigen Eiche sitze, bietet mir einen Panoramablick auf die unter mir liegende Landschaft. Ein sanftes Streicheln auf meiner Hand holt mich zurück in die Wirklichkeit und ich schaue auf meinen Handrücken, auf dem sich ein kleines Tagpfauenauge niedergelassen hat. Aufgeregt hebt und senkt es seine Flügelchen. Es scheint einen scheinbar sicheren Ort gefunden zu haben und wie ich das Naturschauspiel zu beobachten ehe es sich erhebt und nach oben in den Himmel entschwindet. In diesem Moment bemerke ich den Regenbogen, der sich in der Ferne gebildet hat. Und ich beginne zu verstehen, dass nichts im Leben verloren ist, wenn man wahrhaft liebt. Das Land hinter dem Regenbogen ist nicht weiter entfernt als ein Schmetterlingsflügelschlag.

Verwaiste Eltern haben mit großen Ängsten zu kämpfen. Sie würden Geschwisterkinder am Liebsten in Watte packen, um jedes Unheil fernzuhalten. Kündigt sich ein neues Baby an, dann fällt es Müttern sehr schwer eine Verbindung zu ihrem Kind im Bauch aufzubauen. Zu groß ist die Angst dieses Kind wieder zu verlieren. Eine weitere Verletzung ihrer Seele versuchen sie zu verhindern, indem sie eine Mauer aufbauen. Ganz oft stellt sich ein irrationales Gefühl von Schuld ein, weil sie den Tod des Geschwisters nicht verhindern konnten. Schuldbewusstsein und Zweifel an der Kompetenz als Mutter oder Vater kommen hinzu. Gedanken wie  „Ich verrate mein verstorbenes Kind, weil ich wieder schwanger geworden bin. Ich kann mich nicht vorbehaltlos über das  neue Baby freuen. Ob mein verstorbenes Kind denken würde, dass ich es ersetzen wolle?  Das ist dem Ungeborenen gegenüber unfair. Es hat doch auch ein Recht auf Eltern, die sich vorbehaltlos auf seine Ankunft freuen.“ Kreisen durch die Köpfe werdender Eltern. Das sind sehr natürliche und nachvollziehbare Gefühle, die unbedingt zugelassen werden sollten. Den Schmerz zu vergraben und in sich zu verschließen, ist als ob man einem lavaspeienden Vulkan einen Topfdeckel aufsetzt. Es brodelt im Inneren und dann kommt es zu einer explosionsartigen Entladung, die mit Zeitverzögerung zu massiven psychischen Problemen führen kann.

Aus der Sicht des Mediums stellt sich alles ein wenig anders dar. Bevor sich eine Kinderseele auf den Weg in den Körper der Mutter begibt, verbringt sie auf der Ankunftsebene im Jenseits Zeit, um sich darauf vorzubereiten. Etwa bis zur 12. Schwangerschaftswoche verschmelzen Seele und  Embryo miteinander. Die Seele hat allerdings noch die Möglichkeit außerhalb des Körpers zu sein und schwingt immer zwischen Uterus und der Welt hin und her. Wenn ein Geschwisterkind im Jenseits ist, dann wird es dieser kleinen Seele über das Leben in der Familie berichten und zeigen, wie es dort ist. Gemeinsam schauen sie auf die aurischen Felder ihrer Familie. Die Mütter, die natürlich in der Schwangerschaft besonders empfindsam sind, fühlen diese zwei Seelen und sind noch mehr verunsichert. Die Sehnsucht nach dem scheinbar verlorenen Kind mischt sich mit den Gefühlen für das kleine neu heranwachsende Wesen. Die Meisten können sich nicht vorstellen, dass die Seele ihres verstorbenen und die Seele des neuen Kindes sozusagen in Kommunikation sind und sich gemeinsam um sie herum aufhalten. Wenn ich zwei Kinderseelen nebeneinander in dieser besonderen Weise wahrnehmen kann, dann würde ich den Müttern gerne diese meine Welt durch meine Augen zeigen und sie meine Gefühle empfinden lassen. Es liegt so viel Liebe, Mitgefühl und Trost in diesen wunderschönen Bildern, die ich sehen darf. Die Liebe zwischen Müttern und ihren Kindern ist so rein und einzigartig, dass nichts sie voneinander trennen kann. Sie sind für immer und ewig in Resonanz der Seelen. Auch wenn das Herz weint, die Seele weiß, dass Liebe niemals stirbt!

Mehr zu diesen Themen aber in meinem Buch „Von Libellen, Schmetterlingen und dem Tanz auf dem Regenbogen“

*Ich möchte diesen Artikel einem ganz besonderen kleinen Mädchen namens Maja, ihren Eltern und Geschwistern widmen. Maja erstaunt und berührt mich immer wieder. Sie schafft es all denjenigen zu zeigen, die sie lieben, dass sie noch immer da ist.*

Bettina-Suvi Rode

01/ 2015

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